Into the wild – Wochenende mit Kladdkaka und Kraftstation

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von Mathias Döbbert 

Der Sonntag ist, wie es sich gehört, ein Tag der Erholung. Es stecken mir noch die gestrigen 30 Kilometer Paddeln in den Knochen und meine linke Schulter lässt mich erste Anzeichen von Überlastung spüren. Darum widmete ich mich heute mal dem Nichtstun. 

Ganz so ist das, natürlich, nicht richtig, denn auf mein sonntägliches Joggen will ich nicht verzichten. Die vier Kilometer Frühsport tun vor allem meinem Selbstbewusstsein gut. Anschließend tauschte ich die obligatorische Dusche gegen ein Morgenbad im See; kühl, aber erfrischend und reinigend.

 

Frühstück ist angesagt, welches ich bei Sonnenschein vor meinem „Bus“ einnehmen kann. Bis Mittag vertiefe ich mich in einen Norwegen-Roman. Ein schnelles Mittagessen ist fällig. Ich bin zu faul für ein ausgiebiges Menü und erwärme mir schlicht eine Nudel-Fleischklößchen-Suppe. Der Abwasch ist entsprechend schnell erledigt.

Anschließend putzte ich mich heraus, wie für den Gottesdienst, soweit das unter den gegebenen Umständen halt möglich ist. Mit anderen Worten: Ich tauschte die Jogginghose gegen eine neue Freizeithose und die Turnschuhe gegen Halbschuhe. Derart aufgedonnert unternehme ich einen Spaziergang ins Dorf. Die Häuser entlang der Straße sind meist mit schwedentypischer, rotbrauner Farbe gestrichen, die Veranda, Geländer und Zierbalken strahlen weiß. Mit viel Liebe und Originalität werden die Vorgärten gestaltet. Jede sich bietende Felsspalte wird eingebunden. Neben wenigen Blumenarrangements dominieren die perfekt gemähten Rasenflächen. Anscheinend besitz jeder Schwede einen Rasentraktor für den perfekten Schnitt. Vielleicht werden die auch durch die Regierung bezuschusst. Auf einem Grundstück müht sich ein Rasenroboter die steilen Hänge hinauf; vermutlich ein Modell der Marke Huskvarna. Diese wird nämlich in Schweden produziert und gilt als Vorreiter der Mähroboterentwicklung. So gesehen, ist deren Verbreitung bei den Einheimischen aber noch unterrepräsentiert.

 

Der Wanderweg ins Dorf führt am Schleusenkanal entlang und bietet malerische Ausblicke auf den See Foxen und den kleinen Hafen. Der Kanal endet in einer dreistufigen Schleuse, mit der man ca. 8 Meter Höhenunterschied zum nächsten großen See überbrücken kann. Das Schleusen-System ist bereits vor 150 Jahren errichtet worden. Der Foxen selbst ist in eine Richtung ca. 15 Kilometer lang. Ich weiß das so genau, weil ich gestern die gesamte Länge hin und zurück gepaddelt bin. Es gibt aber sehr viele Nebenarme und Ausbuchtungen, Inseln und Inselchen, die zu entdecken, eine Woche Urlaub kaum ausreichen. Aber zurück zur Wanderung.

Einen Laden mit Lebensmitteln oder Haushaltswaren gibt es in Lennartsfors nicht, dafür aber ein herrlich gelegenes Café auf einem Felsen über dem Kanal. Hier möchte ich mir einen Schweden-Eisbecher gönnen. Leider gibt es nur Eis am Stiel aus der Gefrierbox. Also schalte ich um auf Kaffee und Kuchen und bestellte mir ein Stück „Kladdkaka“. Zugegeben, der Name klingt anrüchig, aber ich lasse mir versichern, dass es der schwedischste aller Kuchen des Sortiments ist. Der Filterkaffee schmeckt so, wie jeder Filterkaffee weltweit eben schmecktt. Im Café wurde das amerikanische Prinzip des „free refill“ (eine Tasse bezahlen; jede weitere umsonst) praktiziert. Der Kladdkaka stellt einen schwedischen „Browny“ dar, der ausschließlich aus Zucker und Cacao zu bestehen scheint. An Süße ist er durch nichts zu übertreffen, was ich je gekostet. Dazu empfiehlt der Wirt (angeblich auch typisch schwedisch) eine Portion Schlagsahne. Vermutlich will er den Umsatz steigern. Die Entscheidung dafür ist aber goldrichtig. Während normalerweise die Schlagsahne zur Versüßung trockenen oder nüchternen Blechkuchens gereicht wird, dient sie hier der Neutralisierung der Zucker-Cacao-Bombe und macht ihren Verzehr überhaupt erst möglich. Auf der Außenterrasse des Cafés genieße ich die Ruhe und den Luxus der Inaktivität.

 

Auf dem Rückweg zum Campingplatz besichtige ich noch das kleine Wasserkraftwerk, welches den Niveauunterschied zwischen den Seen zur Stromproduktion nutzt. Früher soll das Kraftwerk die Gemeinde, die aus ca. 300 Seelen besteht, komplett mit Elektrizität versorgt haben. Heute wird „nur noch“ ins allgemeine Stromnetz eingespeist. Überhaupt sind Windkrafträder und Solaranlagen, zentral oder individuell betrieben, kaum anzutreffen. Offenbar reichen den Schweden und Norwegern die zahlreichen kleinen Wasserkraftwerke, um ausreichend und kostengünstig "grünen" Strom anzubieten. Vielleicht ist aber auch die Sonneneinstrahlung hier, im "hohen Norden", außer in der Zeit von Juni bis August zu gering, um effizient Solarstrom zu erzeugen.

Zurück am Wohnmobil ergibt sich noch die Gelegenheit zu einer Plauderei mit meinen holländischen Nachbarn. Sie sind sehr nett, reisen aber morgen früh wieder ab. Schade.

Fortsetzung folgt, kurze Verschnaufpause



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