Passau-Wien und 1000 Überraschungen dazwischen

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 von Martin Schurz

Auf keinen Fall will ich versäumen, einige Momente unserer Donaufahrt einmal näher zu beschreiben. Es begann im Januar, als mich Mathias fragte, ob wir zusammen eine Donaufahrt von Passau nach Wien im Sommer in Angriff nehmen wollen.

Da ich gerade in einer größeren Sanierungsphase in unserem Haus steckte, bat ich ihn um eine Bedenkzeit. Mir war schon klar, dass wir damit zwar eine landschaftlich sehr schöne Fahrt haben würden, dem stand aber gegenüber ein logistisch sehr aufwändiges und anstrengendes Unternehmen. Ich kaufte mir als Erstes eine Wasserwanderkarte vom Jübermann Verlag und studierte die Strecke ausgiebig. Da war das Feuer in mir schon im Vollbrand und ich sagte Mathias meine Teilnahme fest zu. 

 

Die ursprünglichen Gegenargumente meinerseits resultierten aus der leider stark verbauten Donau in Österreich. Die Fahrt sollte also am Donaukilometer 2226 an der Iltz Einmündung starten und an der Donau Marina in Wien enden km 1926. Das bedeutet also, bei 9 Sperrwehren und Schleusen auf einer Länge von 300 km durchschnittlich alle 33 km die Boote vom Oberwasser in das Unterwasser umsetzen zu müssen. Wir müssten also bei acht Fahrtagen eine tägliche Strecke von durchschnittlich 35-45 km unterwegs sein. Auf der Elbe wäre das ja überhaupt kein Problem, aber auf der Donau fährt man ungefähr auf der Hälfte der Gesamtstrecke durch den Rückstau auf stehendem Gewässer. Hitze und kräftiger Gegenwind auf stehenden Gewässern könnten das eine oder andere Mal ein effektives Vorwärtskommen erschweren.  

Nach meiner Ankunft auf dem netten kleinen Zeltplatz in Passau an der Iltz war das Zelt schnell aufgestellt. Doch wo waren die 12 Heringe? Die nette Dame an der Rezeption konnte helfen. An diesem schönen Abend zog es mich natürlich noch in die wunderbare Altstadt von Passau. Lassen wir einfach die Bilder sprechen.

Am nächsten Morgen baute ich schnell mein Faltboot auf und machte mich danach mit dem Auto, entlang der Donauroute, auf den Weg nach Wien. Auf dieser Fahrt konnte ich mir schon mal ein Bild von unserer bevorstehenden Paddeltour machen. Als ich Wien und den Parkplatz an der Donauinsel erreicht hatte, war ich der festen Überzeugung: Das wird gut.

 

Da es ja um die Mitsommernachtszeit war, ging ich noch auf einen Erkundungsgang entlang der Donau und erfreute mich an der kulinarischen Vielfalt der Österreichischen Küche und dem Heurigen. Nach einer, trotz Zentrumsnähe, sehr ruhigen Nacht im Auto fand ich am nächsten Morgen auch schnell das Parkhaus in der Nähe unseres Zielhafens. Nach einer kurzen U-Bahn Fahrt stand ich auch schon auf dem Stephansplatz vor dem gleichnamigen Dom. Inmitten von gefühlten zehntausenden Touristen aus aller Welt erlebte ich im Dom noch ein schönes Orgelkonzert.

Danach begab ich mich über Hofburg, Burgtheater und all die prächtigen Paläste in Richtung Neues Rathaus. Nach einem (und an diesem Tag nicht letzten) wunderbaren Wiener Kaffee mit Schlagoberst (auf Deutsch Schlagsahne), kreuzte sich mein Weg mit einem Herren in Begleitung zweier kräftig gebauter Männer. Im ersten Moment dachte ich an Sinnestäuschung, Hitzschlag oder Dehydrierung meinerseits. Aber nach kurzer Zeit war Sebastian Kurz, der ehemalige Bundeskanzler der Republik Österreich, auch schon von etlichen Leuten umringt und es gab einige angenehme Gespräche, bevor er zu einem Interview des ÖRF auf dem Rathausplatz verschwand. Er galt ja als junger Hoffnungsträger für eine Erneuerung der hoffnungslos überalterten, bisherigen Regierungen, aber er hat es leider nicht dauerhaft geschafft.

 

Gegen den kleinen Hunger zwischendurch besuchte ich natürlich auch eine typisch Wiener Würstelbude und aß Frankfurter Würstchen, die aber aussahen, wie Wiener Würstchen. Nach diesem schönen Tag im Gewimmel der Hauptstadt und etwas pflastermüde führte mich mein Weg zum legendären Prater, um etwas zu entspannen. Aber an Entspannung war natürlich auf einem der größten Rummelplätze der Welt nicht zu denken. Interessant waren die gewaltigen, sensationellen Fahrgeschäfte schon. Jedoch könnte man an einigen von ihnen auch Astronauten auf ihren Raumflug vorbereiten.

Nach kurzer U-Bahnfahrt war ich dann auch schon wieder mitten im Wiener Hauptbahnhof, um von dort zurück nach Passau zu fahren. Ich erwischte einen Zug der ungarischen Staatsbahn MAV mit den klassischen Sechser-Abteilwagen. Nach dem ersten Halt stiegen fünf  ältere Damen zu und von da an hatte ich keine ruhige Minute. Die Zeit verging wie im Fluge und ich lernte sogar etwas Österreichisch. Nach einem längeren Aufenthalt in Linz fuhr ich gegen Morgengrauen gen Passau. Nach einem wunderschönen Sonnenaufgang wurde auch diese Fahrt nie langweilig. Der Grund waren die vielen hundert Feldhasen, welche links und rechts der Gleise herumtollten. Da wir in Thüringen kaum noch Hasen sehen können, fand ich diese Häufigkeit schon bemerkenswert.

Am Nachmittag auf dem Zeltplatz in Passau klingelte mein Telefon und als ich mich umdrehte, sehe ich, wie Mathias in 20m Entfernung telefonierte - mit mir. Nun konnte es ja endlich losgehen.

Im Laufe des Vormittags verstauten wir alles an Proviant und sämtliche Ausrüstung in unseren Booten. Nach wenigen Minuten auf der Iltz erreichten wir auch schon  „unsere“ Donau. Nach einigen Fotos von Passau und der Mündung des Inns in die Donau ging es in flotter Fahrt durch den schönsten Teil des Flusstales. Und nachdem wir die Schlögener  Schlinge durchfahren hatten, begleiteten uns die Anhöhen rechts und links des Ufers bis kurz vor Linz.

Dann folgte natürlich auch eine etwas eintönige Strecke durch die Ebene. Dafür erschloss sich unseren Augen aber etwas anderes. Da das Wetter trocken und warm war, hatten wir natürlich auch eine gute Fernsicht. Auf einmal sahen wir in einer gewaltigen Ausdehnung die östlichen Teile der Alpen, speziell die Österreichischen Kalkalpen; einfach ein wunderschönes Panorama, welches uns bis zur Wachau begleitete.

Auf unserer Fahrt erlebte ich auch einig lustige Begebenheiten.                                                    

An unserem dritten Übernachtungsort, kurz vor der Einfahrt in die Wachau, wachte ich am Morgen ungewöhnlicher Weise eine Stunde vor meinem Reisegefährten auf. Ich genoss die langsam höhersteigende Sonne, die den leichten Nebel über dem Fluss auflöste und die herrliche Stille, um ein paar Fotos zu machen. Die Stille wurde jäh unterbrochen durch zwei sich laut russisch unterhaltende Damen. Ich grüßte artig mit einem freundlichen "Dobroje Utro" und schon traf mich der gewaltige Redefluss der beiden. Da sich meine Russischkenntnisse aber doch in Grenzen halten, war ich froh dass Mathias dazu kam.

Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, wie selbstverständlich sich die "drei" Ukrainer in einer mir weitgehend unbekannten Sprache unterhielten. Da ja Mathias erst kürzlich in der Ukraine war, wollten die zwei Frauen natürlich von ihm alles wissen, wie es dort im Moment so steht. Ich selbst wollte natürlich auch alles wissen über diese schlimme Sache. So standen wir eine ganze Weile beisammen und unterhielten uns über die aktuelle Weltlage. Außerdem wollte ich natürlich auch über den Mais, der auf den Feldern am Ufer wuchs, Bescheid wissen und bekam wie gewünscht eine kleine Lektion über den Wachstumsprozess von Mais. Es war also niemals langweilig, die Stimmung  zwischen uns gut und die Landschaft sehr abwechslungsreich.

Nach einer Fahrt mit relativ starker Strömungsunterstützung suchten wir uns am Donaukilometer 2000, in der Nähe der Stadt Krems, einen ruhigen kleinen Hafen zur Übernachtung aus. Wir hatten also bisher 226 km zurückgelegt. Hocherfreut stellten wir fest, für unser wohlverdientes Abendessen sogar einen großen Tisch mit Bänken direkt an der Donau und neben unseren Zelten nutzen zu können. Zur Unterhaltung hatten wir dann auch den ganzen Abend laute Techno-Musik, welche von dem ganz langsam an uns vorbeifahrenden Dampfer "Stadt Wien" zu uns herüber dröhnte.

 

Urplötzlich hatten wir einen Gast an unserer Bank. Es war der Joachim aus Graz und auch Kenner unserer Heimat, mit dem wir uns längere Zeit unterhielten. Das Spezielle an der Situation aber war, dass der Mann vom Heurigen zwar volltrunken war, jedoch erstaunlicherweise durch tänzelnde Ausgleichsschritte gerade immer im letzten Moment ein Umfallen verhindern konnte. Mathias war dann irgendwann müde und verabschiedete sich auf seine Steckliege. Das beeindruckte unseren Freund Joachim aber nicht sonderlich und er wich nicht von meiner Seite.

Ich bemerkte leicht genervt, dass die Lautstärke des näher kommenden Partydampfers wieder zunahm und fragte Joachim, warum die nicht Musik von Falko spielen. Damit löste ich aber ein heftiges Suchen nach Falko Songs auf Joachims arg verschlissenem Handy aus. Mindestens eine Stunde lang hörten wir, und natürlich auch Mathias in seinem Zelt, noch etliche Songs von dem unvergesslichen Falko. Joachim in seiner unvergleichlichen Art war eben ein echter Österreicher.

Als wir dann am km 1925 in Wien am Ziel waren, hatte ich das Gefühl, immer noch nicht angekommen zu sein und wäre am liebsten gleich weitergefahren. Da im Laufe der nächsten möglichen Etappe Österreich verlassen wird und Bratislava in der Slowakei und danach Ungarn an der Fahrtroute liegen, werden sicher nostalgische Erinnerungen bei mir aufkommen.

Mein treuer Begleiter, mein Zweier Faltboot vom Typ RZ Baujahr 1954, fuhr diesen Teil der Strecke vor circa 56 Jahren schon einmal. Meine Eltern, Karla und Erich Schurz, nahmen damals an der TID (Tour International Danubien) als Vertreter des Akener Kanuclubs teil und waren von Bratislava bis zur jugoslawischen Grenze unterwegs. Die Begeisterung der beiden über die schöne Fahrt damals habe ich nie vergessen und erfülle mir nun nach und nach meinen Traum, den zweitlängsten Fluss Europas bis zum Schwarzen Meer selbst zu befahren. 


Kommentare: 3
  • #3

    Michael Waßmann (Freitag, 21 Oktober 2022)

    Lieber Martin, was für eine lebendige und unterhaltsame Reisebeschreibung! Es geht mir wie Dir, dass auf dem Wasser alles still und gut ist. Die spannenden Dinge ereignen sich zumeist am Ufer....
    Ich nehme es als gutes Zeichen, dass Du Ruck-zuck schon bei Kilometer 226 warst, als wär' das nix gewesen.
    Ich habe Lust bekommen, die Donau zu befahren!
    Liebe Grüße
    Michael

  • #2

    Sandra (Freitag, 21 Oktober 2022 17:31)

    Linz bei Nacht... diese Episode wäre eine nähere Erläuterung Wert gewesen ;) Ansonsten aber wirklich lebendig beschrieben. Als wäre man dabei gewesen.

  • #1

    Karl-Heinz Schulze (Sonntag, 16 Oktober 2022 13:26)

    Ein wunderschöner Reisebericht, sehr unterhaltsam. Man kann die beschriebenen Erlebnisse direkt mit erleben. Bewundernswert sind die Vorbereitungen und Ausdauer einer solchen ungewöhnlichen Paddeltour. Wir freuen uns schon auf den geplanten Vortragsabend im Bootshaus.
    Birgit und Karl-Heinz