Harzwanderung– Wenn dem Wald die Bäume ausgehen ...

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 von Mathias Döbbert 

Am frühen Morgen des 25. März, dem Tag unserer geplanten Vereinswanderung durch‘s Ilsetal, drücken dunkle Wolken aufs Gemüt. Die blaugraue Wolkendecke hängt bedrohlich tief und im Radio reden die Moderatoren von kommenden Niederschlägen. Ich greife nach Regenschirm und wasserdichter Jacke und fülle heißen Kaffee in die Thermoskanne. Der Harz ist ja für frische Empfänge bekannt; erst recht Ende März. 

Wie auf Bestellung biegen Harald und Marlene um halb 9 Uhr in ihrem schicken VW in meine Straße ein. Die Organisation der Mitfahrgelegenheit klappt tadellos auch für einige andere Clubmitglieder, wie ich später erfahren werde. Trotz der stattlichen Teilnehmerzahl von 29 Sportfreunden, brauchen wir heute keine Extrabusse zu ordern. Den Kassenwart wird es freuen. Schon auf dem Weg zum Harz brechen sich Sonnenstrahlen Bahn in die Ebene, während sich die Bergspitzen, allen voran der Brocken, hartnäckig verhüllen. Am Brocken-Parkplatz in Ilsenburg finden alle "Wasser"-Wanderer zueinander. Nach allseitiger Begrüßung wagen wir den Aufstieg; nicht ohne zuvor das obligatorische Gruppenfoto geschossen zu haben. Es erleichtert u.a. am Ende herauszufinden, wen wir ev. im Wald verloren haben.

Zunächst halten wir uns in Wassernähe und überqueren den Fluss auf einer urigen Holzbrücke. Jeder Schritt ist wohl gewählt, denn der Untergrund ist teilweise noch aufgeweicht und rutschig. Eine Rast- und Infostelle ist der erste Sammelplatz. Von hier aus führt uns ein Wanderpfad in Windungen bergauf. Gurgelnd und schmatzend, rauschend und donnernd stürzt sich die Ilse ins Tal, Granitbrocken umrundend und Stromschnellen durcheilend. Das Wetter präsentiert sich als launische Diva. Eben noch überrascht uns ein Schauer, als kurz darauf Klärchen die nassen Wege zu trocknen versucht. Der hastig aufgespannte Regen- wird unversehens zum Sonnenschirm und umgekehrt. Wir erreichen die "Bremer Hütte" und ich finde bei einer kurzen Rast Muße und Gelegenheit für ein zweites Frühstück und einen Schluck Kaffee. Das Erreichen dieses Etappenziels wird per Wanderstempel dokumentiert. 

Da jeder sein Wandertempo selbst bestimmt, zieht sich die Gruppe weit auseinander. Unterwegs bieten sich immer wieder Möglichkeiten zu interessanten Gesprächen mit unterschiedlichen Sportfreunden und zu verschiedenen Themen. So erreiche ich gemeinsam mit einigen Nachzüglern den Gasthof Plessenburg. Für unsere bunt gemischte Wanderschar aus A-und B-Jugend, Senioren und Mittelalter ist eigens ein Jagdzimmer als Speiseraum reserviert. Die einfachen, aber sehr leckeren Speisen finden regen Zuspruch. Ich genieße einen Linseneitopf mit monstermäßiger Bockwurst, der noch so heiß ist, dass ich mir die Zunge verbrenne. Wer nicht pusten kann, muss fühlen! Im Freiluftbereich der Taverne, am Fuße eines 200-jährigen Bergahorns, nehmen die einen noch ein gepflegtes Bier zum Nachtisch, andere – ein Sonnenbad, bevor wir den Abstieg angehen.  

Von hier aus schreiten wir anscheinend einen Gipfelkammweg entlang. Das Bild, dass sich einem nun bietet ist erschreckend. Ganze Bergrücken sind übersäht mit umgebrochenen Stämmen kahler Nadelbäume. Granitfelsen schlummern nicht mehr im Schatten unter grünen Zweigen, sondern treten nackt zutage. Ob Windbruch, Trockenheit oder Borkenkäfer; gesund ist der Wald  hier nicht. Verstärkt wird der triste Eindruck durch sich erneut verdichtende Wolken, welche nur wenig später Nieselregen und Schauer absondern.

Ich unternehme einen kurzen Abstecher zum Ilsenstein. Halsbrecherisch erklimme ich das eiserne Kreuz, um einen gewagten Ausblick in die Tiefe zu erhaschen und für ein spektakuläres Fotomotiv. Leider erscheint die Landschaft in einheitlichem Dunkelgrau. Ich folge nun der Gruppe bergab auf gewundenen Wegen, zu meinen Füßen Ansichten wie nach einem Atomschlag. Auch ein farbenfroher Regenbogen über Ilsenburg vermag die Stimmung nur begrenzt aufzuheitern. Erst im tiefen Tal tauche ich wieder ein unter ein Nadel- und Blätterdach.

Die Harzwanderung in diesem Jahr war trotz meteorologischer Widrigkeiten eine schöne Bereicherung unseres Veranstaltungsangebotes und wurde dankend angenommen. Ein bedrückender Nachgeschmack jedoch bleibt, den auch dauerhaft eitel Sonnenschein nicht hätte tilgen können.

*Fotos: Mathias Döbbert*


Kommentare: 2
  • #2

    Alfred (Samstag, 01 April 2023 09:54)

    Wieder sehr gut organisiert und es war eine sehr gute "Wandergemeinschaft". Danke an Ralph. Ich hatte noch den besonderen Wunsch, meine alte Kaserne (stabile Baracke) während meines Dienstes bei der Grenztruppe im Jahre 1962 wieder zu finden. Leider vergebens ( ist heute ein Stellplatz für Wohnmobile) Und das ist auch gut so.
    Ein schöner Tag bleibt in Erinnerung.

  • #1

    Michael Waßmann (Mittwoch, 29 März 2023 00:13)

    Lieber Mathias, danke für den schönen und ausführlichen Bericht, der den Tag wirklich gut eingefangen hat.
    Hoffen wir, dass die Berge im Harz schnell wieder begrünen und dass der Mensch die Natur sich dazu den nachhaltigsten Weg finden lässt.
    Schon früher sagte man: Willst du einen Wald vernichten, so pflanze Fichten, nichts als Fichten.
    Wir sprachen ja darüber.
    Liebe Grüße, Michael