Das Schweigen des Regenpfeifers

von Mathias Döbbert

Monatelang Hitze und kein Tropfen Regen. Droht Mitteldeutschland nach dem Jahrhunderthochwasser nun ein Jahrhundertsommer? Ornithologen fragen sich indes besorgt: Warum schweigt eigentlich der Regenpfeifer? Forscher sind sich noch uneins, ob dieser kleine Watvogel mit seinem Pfiff "piu" oder"tiüh" den Regen begrüßt oder herbeiruft, wie es Schamane mit Gesängen und Tänzen einst vermochten. 

Der Flussregenpfeifer, lateinisch Charadrius dubius, ist in (fast) ganz Europa und in Asien bis nach Japan verbreitet und auch an unseren Elbeufern zu Hause.

Dabei stellen natürliche Bäche und Flüsse mit Schotterbänken seine ursprünglichen Reviere dar, in denen aber nur noch 1/10 der Tiere leben. Wie viele andere Arten sichert er sein Überleben durch Anpassung und erschloss sich neue, vom Menschen hinterlassene Biotope wie geflutete Sand- und Kiesgruben, Abraumhalden in Wassernähe.

 

Zur Familie der Regenpfeifer gehören außerdem die Arten Sandregenpfeifer, Seeregenpfeifer, Goldregenpfeifer und der Kiebitz. Seine "Kiewitt"-Rufe sind typische Frühlingsbotschaften. Der Flussregenpfeifer unterscheidet sich von anderen Artgenossen durch seinen charakteristischen weißen Streifen über dem schwarzen Stirnband, das schwarze Halsband und den markanten gelben Augenring. 

Ein ausgewachsenes Exemplar misst etwa 15 cm und wiegt rund 40 Gramm. Trotzdem begibt sich dieser Winzling regelmäßig auf Wanderschaft. Als Zugvogel überwintert er im Mittelmeerraum und in Afrika, nördlich des Äquators. Zu seinem Winterquartier fliegt er nur nachts, vermutlich, um sich vor den Singvögel verspeisenden Tirolern zu schützen. Im April kehrt der Flussregenpfeifer zu uns an die Elbe zurück.

Im schlammigen Uferbereich sucht er nach Würmern, Spinnen, Larven und Weichtieren. Mit seinen relativ langen Beinen läuft der Flussregenpfeifer derart schnell, dass man sie kaum noch erkennen kann und es den Anschein hat, als würde er über den Sand rollen. Seine ständige Bewegung machte es mir denn auch so schwer, den kleinen Kerl vor die Linse zu bekommen.

 

Gebrütet wird von April bis Juli. Um die Auserwählte zu bezirpsen, muss sich das Männchen mächtig ins Zeug legen. Gleich mehrere flache Bodenmulden, ausgepolstert mit Pflanzenmaterial, legt es an, von denen sich das Weibchen eine aussucht.

Meist vier Eier beherbergt ein solches Nest. Sie sind durch ihre steingraue bis cremefarbene Färbung und die Punkte und Flecken fast unsichtbar. Nach ca. 25 Tagen schlüpfen die flauschigen Küken. Ein frisch geschlüpftes Küken wiegt gerade mal 5 Gramm und ist der kleinste einheimische Nestflüchter. Bereits nach 3 Stunden können Jungtiere schnell laufen und picken. Menschlein brauchen dafür 1 Jahr. Droht Gefahr flüchten die Kleinen unter die Flügel der Eltern.

Und natürliche Feinde gibt es reichlich. Fuchs, Igel und marderartige Pelztiere haben es auf die Eier abgesehen. Jungtiere sind vor Ratten, Möwen, Elstern, Krähen nicht sicher und auch Raubvögel stellen eine Gefahr für den Flussregenpfeifer dar.

Um den Nachwuchs zu schützen, wendet der Regenpfeifer den Trick "lahmende Ente" an. Dazu gibt sich das Elterntier dem Räuber zu erkennen und lockt ihn von den Jungtieren weg. Den Vorgang nennt man "Verleiten", wird doch der Angreifer in die Irre geleitet.

 

In heißen Sommern tränken die Vögel ihr Gefieder mit Wasser, um die Eier oder Jungvögel darunter auf schattenlosen Kiesflächen zu kühlen - eine natürliche Klimaanlage. Das tun sie sicher auch in diesem Jahr. Das Getreide verbrennt auf den Feldern, der Rasen verdorrt, doch der Regenpfeifer schweigt noch immer. 

 


P.S.: Wer (berechtigte) Zweifel hegt an der Interpretation des Namens unseres kleinen Hauptakteurs, sei auf das Buch "Die Bedeutung historischer Vogelnamen" von Peter Bertau verwiesen (Springer Verlag 2014). Dieser historischen Rückschau zufolge wird der Flussregenpfeifer bereits 1554 im "Straßburger Vogelbuch" beschrieben, aber unter dem Namen "Riegerlein" geführt. In einer späteren Schrift beschreibt ihn 1669 ein Herr Gessner wie folgt: "Diesen Vogel nennet man gemeiniglich Riegerlein (von dem Regen oder Bewegen her). Dann, wann er etwas bey dem Wasser höret , so regt er sich von Stund an und schreyet mit seiner klein Stimm ganz hell." 

Quellen: Der große Kosmos Naturführer (W.Stichmann, E. Kretzschmar, 2003), Die Bedeutung historischer Vogelnamen (P.Bertau, 2014),

www.nabu.de, www.wikipedia.org, www.lbv.de, www.natursportinfo.bfn.de, www.tierdoku.de


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