Sonne Satt Sommertour Tag 2

von Mathias Döbbert

Tag 2: Hohenwarte-Parey-Genthin

Früh am Morgen ist der Fluss noch unberührt und rein. So auch heute. Das Wetter ist wunderbar, die Vögel zwitschern. Nur die Radler aus der Herberge und die Gastwirte schlafen den Schlaf der Gerechten. Ich bin putzmunter, voller Tatendrang und will nicht auf das „späte“ Frühstück um 8:00 Uhr warten. Die Ausrüstung ist eilig zum Wasser geschafft und so leite ich die nächste Etappe meiner Reise ein. Die Elbe gehört mir allein.

Auf der Autobahn drängeln sich bereits die Fahrzeuge, auf der Wasserstraße hingegen fährt noch keine Menschenseele. Nur Wind kommt wieder von vorn, in Böen zeitweise heftig. Die Hochwetterlage ist eigentlich stabil, also sollte Wind doch überflüssig sein – so viel zur Theorie.

Ich komme gut voran, doch gegen 9:00 Uhr kündigt sich Ärger an über das ausgefallene Frühstück in Form von Magenknurren. Ich suche mir eine noch nicht von Anglern okkupierte Sandbuhne und steuere MAJA an Land. Ich bin jedoch nicht der erste Besucher dieser Stelle heute Morgen, wie die Spuren im Sand beweisen. Ich tippe auf Fuchs.

Ein hartes Ei, ein trockenes Brötchen, Knackwurst und ein Käse sind die Zutaten dieser spontanen Kalorientanke, runtergespült mit reichlich Mineralwasser. Erste Symptome von Koffeinmangel tauchen auf.

Zu meinen Füßen im warmen Flachwasser tummelt sich ein Schwarm Fischchen. Neugierig untersuchen sie die Canadier-Außenhaut, ob da nicht was zu holen wäre. Danach wird wieder der Sandboden inspiziert. Was sie da suchen, ist nicht zu erkennen. Ich versuche das Anfüttern mit Brötchenkrümeln. Man ist nicht interessiert.


Die Elbe wird breiter, das Land dahinter flacher. Kaum ein Waldbestand zähmt die immer wieder aufbrausenden Winde. Bei direktem Gegenwind kommt selbst ein Segler nicht mehr vorwärts. Es sei denn, er kreuzt. Diese Taktik versuche ich jetzt ebenfalls, denn die ständige Korrektur zur Gradlinigkeit kostet Kraft und Zeit. Ich stelle das Boot nach steuerbord schräg in den Wind und lasse mich auf das andere Ufer zutreiben. Auf der Gegenseite treibe ich es mit Vortriebschlägen ungebremst voran. Drüben fast angekommen wiederhole ich den Vorgang nach backbord u.s.w. Die Elbe hat nur noch eine Fließgeschwindigkeit von 2,8 km/h, gemessen per GPS-Tracker. Mit Paddelunterstützung komme ich im Schnitt auf 4,7. Das ist weit weniger, als ich erhofft hatte. Dementsprechend langsam ist die Fahrt.


Windschutzwall (?)
Windschutzwall (?)

Die Sonne steht steil über mir und versucht, mir das Fell zu verbrennen. Nur selten fällt ein Schatten auf die ausgedörrte Landschaft von vereinzelten Miniwolken. Ich spüre, es wird Zeit fürs Mittagessen. Ich beschließe, den neu erworbenen Gaskocher einmal auszuprobieren. Ich suche Schutz hinter einer massiven Beton-Buhnenschutzwand und beginne zu köcheln. In nur zehn Minuten siedet das Wasser. Ich bin stolz wie der Urmensch, dem zum ersten Mal das Entzünden eines Feuers gelang. Kochwasser in den Pappbecher gegossen und nach 3 Minuten ist die warme Mahlzeit fertig. Nie schmeckten chinesische Instant-Nudeln köstlicher. Nie wieder Trockenfutter! Da ich schon dabei bin, koche ich auch gleich noch einen Kaffee und genieße ihn im Klappsessel. Wofür sonst habe ich das Ding mitgeschleppt? Ich grüble bereits über mobile Mikrowellenherde nach und wie man damit beim Campen das Mittagssortiment erweitern könnte. Aber da sind mir wohl etwas die Pferde durchgegangen.
Nach dieser ausgiebigen Pause beeile ich mich, die windige Elbe baldmöglichst zu verlassen. Kurz vor Parey herrscht plötzlich Windstille. Minuten Später erkenne ich den Grund. Hier in dieser Biegung hat man eigens für Westwind geplagte Paddler einen riesigen Erdwall aufgeschichtet. Vielen Dank, liebe Pareyaner! Könnte aber auch ein Hochwasserdeich sein oder eine Rückverlegung desselben. Die erste Erklärung ist mir heute die sympathischste.


Zehn vor vier lege ich am Wartesteg der Schleuse an. Ob ich wüßte, dass die Schleuse nur bis 16:00 Uhr arbeitet, will eine Stimme aus der Gegensprechanlage wissen. Ich bedaure sehr und der Schleusenmeister ist bereit zu Überminuten. Die Schleusung selbst geht fix, beträgt doch der Hub wegen des niedrigen Elbepegels nur ganze 40 Zentimeter. Zehn nach vier werde ich auf den Elbe-Havelkanal entlassen und genieße die Windstille. Nun aber fehlt die Strömung. Und so ist es pure Muskelarbeit, die mich am Abend nach Genthin zu den Kanuten des SV Chemie führt. Im Gegensatz zur Elbe ist der Elbe-Havelkanal durch seinen regulierten Wasserstand ein häufig befahrener Wasserweg. Am Ufer des Kanals treibt im Wasser ein toter Biber. Die Kehle ist aufgeschlitzt. Ein Fall von entnervtem Suizid ob des regen Schiffsverkehrs oder Opfer einer Schiffsschraube? Ich bin mir nicht schlüssig und setze grübelnd meinen Weg fort.


Wenig später begegnete ich Regina und Wiebke. Ihre Heckwellen treffen mich unvorbereitet. Mit Mühe kann ich Maja beruhigen. Der Hafen und die Werft träumen schon vor sich hin, als ich kurz nach acht die Stadt durchquere. Zwei polnische Schuber bugsieren sich noch an die Liegeplätze.
Genthin ist bekanntlich der Sitz eines großen Waschmittelherstellers. Eine Wäsche könnte ich heute allerdings selbst gut gebrauchen. Fürs Zeltaufbauen bin ich zu müde. Also nächtige ich im Trainingsraum des Bootshauses, eingerollt im meinem Schlafsack.



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